Krankheitsbilder hinter den Panel-Tests
27.10.2025
Text von Britta Schaufuß (Tierärztin), mit freundlicher Genehmigung der Firma Laboklin
Quellennachweis: www.laboklin.de
Welches Krankheitsbild verbirgt sich hinter den Panel-Tests, die wir für unsere Zuchtpferde durchführen lassen?
Hypercalemic periodic paralysis (HYPP)
Betroffen von der „hypercalemic periodic paralysis“ (HYPP) sind Quarter Horse (QH), Paint Horse , Appaloosa und andere Blutlinien, die vom QH-Hengst „Impressive“ abstammen. Die Pferde sind meist sehr gut bemuskelt und können zwischen Episoden klinischer Erkrankung höchst erfolgreiche Show-/Sportpferde sein. Das vorherrschende klinische Symptom ist allgemein Schwäche; Muskelkrämpfe und Faszikulationen können auftreten. Dabei kann die Ausprägung der klinischen Zeichen von subklinisch bis schwerwiegend reichen. Lebensbedrohliche Komplikationen sind Herzarrhythmien (sekundär zur Hyperkaliämie) sowie Erstickungsgefahr durch Laryngospasmus. Labordiagnostisch lässt sich bei Vorliegen klinischer Symptome eine Hyperkaliämie nachweisen; die Muskelwerte liegen meist im Referenzbereich oder leicht darüber. Die ersten Krankheitsepisoden werden häufig im Alter von 3 -7 Jahren beobachtet. Im Gegensatz zum Kreuzverschlag, der immer mit einer Bewegung des Pferdes verbunden ist, tritt HYPP üblicherweise nicht in Verbindung mit dem Arbeiten des Pferdes auf, sondern während Ruhephasen, zur Fütterungszeit oder in Stresssituationen (Transport, Futtermittelwechsel, Fasten) auslösen.
Glycogen branching enzyme deficiency (GBED)
Betroffenen Fohlen fehlt das GBE, ein Enzym, das zur regulären Glykogen-Synthese und -Lagerung benötigt wird. Die hauptsächlich davon abhängigen Gewebe sind die Skelettmuskulatur, der Herzmuskel sowie das Gehirn. Klinisch äußert sich GBED durch: Aborte, Totgeburten oder die Geburt lebensschwacher Fohlen; plötzlicher Herztod – v.a. auf der Weide – oder Tod durch Anfallserkrankung; hohe Atemfrequenz durch Schwächung der Atemmuskulatur; generelle Schwäche, v.a. beim Aufstehen. Alle bisher bekannt gewordenen Fälle wurden euthanasiert oder starben bis zum Alter von max. 18 Wochen. Bis vor kurzem wurde GBED als Krankheit nicht erkannt, v.a. auch aufgrund der vielfältigen klinischen Symptome, die anderen Fohlenerkrankungen sehr ähneln. Darüber hinaus konnten postmortem Routine-Färbungen von Muskelgewebe die Erkrankung nicht aufdecken. Seit die Molekularbiologie einen genetischen Defekt nachweisen und einen Gentest zur Verfügung stellen konnte, zeigen epidemiologische Untersuchungen, dass die
Frequenz der Mutation bei Quarter Horses, Paint Horses und verwandten Blutlinien bei ca 10% liegt. Es wird vermutet, dass GBED für mindestens 3% der QH-Aborte verantwortlich ist.
Hereditary equine regionale dermale asthenia (HERDA)
Hereditary equine regional dermal asthenia (HERDA) ist eine degenerative Hauterkrankung, die QH-Zuchten betrifft. Innerhalb der Population liegt die Träger Frequenz der autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung bei ca. 1,8 - 6,5 %. Fohlen werden normalerweise symptomfrei geboren; Hautareale, die später Läsionen entwickeln, sind fokal und uneinheitlich über den Körper verteilt. Hauptsächlich betroffen ist allerdings die Rückenpartie und folgerichtig wird die Erkrankung oft erst entdeckt, wenn die Pferde „unter den Sattel“ kommen – mit ca. 2 Jahren. Die Haut der betroffenen Pferde ist extrem überdehnbar, narbig und weist oft schwere Läsionen auf. Histologische Untersuchungen können vereinzelt nur Hinweise auf die Erkrankung geben, diese aber nicht diagnostizieren.
Equine maligne Hyperthermie (EMH)
Die Equine Maligne Hyperthermie (EMH) wurde bisher bei elf Quarter Horses nachgewiesen. Die klinischen Zeichen stellten sich nach Halothan-Narkose oder Succinylcholin- Injektion ein und bestanden aus Hyperthermie (> 40°C) und einer metabolischen Azidose. Die Tiere zeigten generalisierte Krämpfe der Skelettmuskulatur, nachfolgend Herzrhythmusstörungen und Nieren-funktionsbeeinträchtigungen. Alle elf Quarter Horses waren heterozygot für eine Mutation im Exon 46 des Ryanodin Rezeptor-Gens der Skelettmuskulatur, d. h. die EMH folgt einem autosomal dominanten Erbgang. Bei Pferden mit EMH kann eine PSSM-Symptomatik verstärkt werden.
Polysaccharid-Speicher-Myopathie Typ 1 (PSSM)
PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie) ist eine Glykogen-Speicher-Krankheit, die in vielen verschiedenen Pferderassen verbreitet ist. Betroffen sind v.a. Quarter Horses, Paint Horses, Appaloosas, aber auch Zugpferde sowie Warmblüter und Kreuzungen aller genannten. Gekennzeichnet ist die Erkrankung durch die Anhäufung anormaler Polysaccharide, wie auch durch die übermäßige Anhäufung normaler Zucker im Muskel. Die klinischen Symptome sind „kreuzverschlagähnlich“ und umfassen die gesamte Bandbreite von Bewegungsunlust, Muskeltremor, Muskelsteifheit, Schwitzen, wechselnde Lahmheiten, Ausstrecken der Hinterbeine bis hin zur Bewegungsunfähigkeit. Die Episoden beginnen meistens nach 10-20 Minuten leichter Arbeit. Die Muskeln der v.a. betroffenen Hinterhand sind oft hart und schmerzen. Viele Pferde haben eine Vorgeschichte wiederholter Phasen von Muskelproblemen. Bei ausgeprägter Symptomatik kann es zur Myoglobinurie und evtl. daraus resultierenden Nierenproblemen kommen. Insgesamt wird PSSM für einen Großteil der neuromuskulären Erkrankungen in den betroffenen Zuchten verantwortlich gemacht.
Immune mediated myositis & MYH1 myopathy (MYHM)
Bei der immunvermittelten Myositis (IMM) handelt es sich um eine muskuläre Autoimmunerkrankung. Diese kann zu einer schweren Muskelatrophie führen, bei der das Pferd innerhalb von 72 Stunden bis zu 40 % der Muskelmasse verliert. Die IMM ist durch Infiltration von Entzündungszellen, insbesondere Lymphozyten, in Muskelfasern und umgebende Blutgefäße gekennzeichnet, die sich in Steifigkeit, Schwäche und unspezifischem Unwohlsein äußert. Von Symptomen betroffene Pferde sind in der Regel 8 Jahre und jünger oder 17 Jahre und älter. Umweltfaktoren in Kombination mit genetischer Anfälligkeit sind wichtige Auslöser für die Entwicklung von Muskelatrophie oder schwerer Rhabdomyolyse. Etwa 39 % der IMM-Pferde leiden bereits seit längerem an einem auslösenden Faktor wie z.B. einer Infektion mit Streptococcus equi subsp. equi oder EHV4. Eine Variante im MYH1-Gen, die die Funktion des Myosinproteins in Muskelzellen hemmt, ist mit einer erhöhten Anfälligkeit für die Entwicklung von IMM assoziiert. Eine weitere klinische Präsentation der MYH1-Variante bei jungen Quarter Horses ist eine schwere, plötzliche Muskelschädigung, die nicht mit körperlicher Aktivität und nicht unbedingt mit Muskelschwund einhergeht (nicht-belastungsabhängige Rhabdomyolyse). IMM und die nicht-belastungsabhängige Rhabdomyolyse gehören zur Gruppe der Muskelerkrankungen, die als MYH1 Myopathie (MYHM) bekannt ist. Der Erbgang für MYHM ist autosomal-dominant mit variabler Penetranz, was bedeutet, dass nicht alle Pferde, die ein (Genotyp N/My) oder zwei Allele (Genotyp My/My) der Genvariante haben, IMM oder die nicht-belastungsabhängige Rhabdomyolyse entwickeln. Pferde mit zwei Kopien (My/My) können stärker betroffen sein.