Die lineare Beschreibung

Traditionell wurden die Zuchttiere in der Pferdezucht bonitiert, das heißt den Bewertungskriterien werden durch ein Richtergremium Noten von 1 – 10 (sehr schlecht – ausgezeichnet) zugewiesen.  Die Bewertungsmerkmale waren z.B  Typ, Gebäude, Hufe/Gliedmaßen, Gangkorrektheit und Bewegungsqualität. Diese Teilnoten ergeben als arithmetisches Mittel die Gesamtnote aus der dann eine Rangierung der gezeigten Pferde erfolgt. Die Zuchtrichter orientieren sich bei ihrer Notenfindung am Ideal einer Rasse (Note 10) und nehmen dann Abzüge für Abweichungen von diesem Ideal vor.

Die Beurteilung der Zuchttiere nach diesem System hat einige entscheidende Nachteile, die auch in einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten dargelegt wurden. Insbesondere ist dies die geringe Ausnutzung der o.g. Notenskala. In der praktischen Pferdebeurteilung liegen die meisten Noten in einem engen Bereich zwischen 6,5 und 8,5.  

Ein weiteres Problem des Bonitursystems ist die geringe Nachvollziehbarkeit der Notenvergabe. Der ApHCG begann schon früh, den vorgestellten Pferden nicht nur Teilwertnoten für bestimmte Merkmale zu geben, sondern den Weg zu diesen Noten auf einem detaillierten Bewertungsbogen festzuhalten. Dies ist eine sehr hilfreiche Form, dem Züchter nicht nur ein gutes Zuchtprodukt zu bescheinigen, sondern auch Stärken und Schwachpunkte seiner Pferde aufzuzeigen. Für interessierte und ambitionierte Züchter waren dies die wertvollsten Hinweise, die er über seine Zucht oder die Anpaarung von Hengst und Stute hinsichtlich des Exterieurs bekommen konnte und der Versuch die Notenvergabe transparenter zu gestalten.

Der für einen Zuchtverband vielleicht entscheidende Nachteil ist die geringe Auswertbarkeit der Daten aus der Benotung der vorgestellten Pferde. Er resultiert aus der Zusammenfassung sehr unterschiedlicher Merkmale in einer Wertnote.

Diesen Gedanken treu bleibend wurde nach neuen Wegen gesucht, Zuchttiere objektiver und nachvollziehbarer zu bewerten. Eine Möglichkeit, die sich seit den 70´er Jahren in der Rinderzucht etabliert hat, ist die lineare Beschreibung eines Zuchttieres. Lineare Beschreibung ist ein allgemein anerkannter Fachterminus. Das linear bezieht sich auf die stetige Veränderung einer zu beschreibenden Merkmalsausprägung.

Was ist die lineare Beschreibung?

Im Gegensatz zur klassischen Notenvergabe ist die lineare Beschreibung kein Mittel zur Rangierung von Pferden, es lässt sich also keine Platzierung daraus ableiten. Verschiedene Merkmale werden auf einer Skala, die häufig von -3 bis + 3 läuft, erfasst, wobei das minus nicht mit negativ und das plus nicht mit positiv assoziiert werden darf und die Null in der Mitte für „unauffällige Merkmalsausprägung“ steht. So kann dokumentiert werden ob z.B. der Hals lang oder kurz ist, die Schulter eher schräg oder steil verläuft. Ist der Hals weder in der einen noch in der anderen Richtung besonders ausgeprägt, bleibt es beim Wert „Null“. Einzelne Notizen wachsen so zu einem Datensatz pro Pferd. Datensätze wiederum können einer Auswertung zugeführt werden und Auswertungen wiederum können der Züchterschaft in ihrer Gesamtheit zur Verfügung

Unterschiede bestehen bezüglich der weiteren Nutzung der Daten, hier bieten sich folgende Möglichkeiten an: 1. Herausgabe der gegebenen Beschreibung für das individuelle Pferd an den Besitzer, was als Verbesserung der Beratung des Züchters durch den Zuchtverband wie auch als Maßnahme zu mehr Transparenz zu bewerten ist, 2. eine Zusammenfassung der Nachkommenbeurteilung für die Vatertiere zwecks Verbesserung der Anpaarungsberatung und  3. Berechnung von Zuchtwerten für bestimmte Merkmalskomplexe. Solche Zuchtwerte würden dabei direkter ansetzten, denn das einzelne Merkmal wie z.B. “steiles Hinterbein“ hat natürlich eine höhere Erblichkeit als Im Vergleich dazu die Wertnote 7 für das Fundament gestellt werden.

Ihren Ursprung hat sie in der Praxis, denn erfahrene Richter und Züchter praktizieren sie seit jeher: Sie notieren sich Stichworte zu jedem Pferd, das sie zu beurteilen haben, in den Katalog, sei es bei der Fohlenschau, der Stuteneintragung, der Körung, oder der Leistungsprüfung Diese Notizen können die unterschiedlichsten Hinweise beinhalten, so z.B. „flacher Trab“, „steile Schulter“, „gute Vorderbeintechnik“. Diese Notizen dienen dem Richter unter anderem dazu, dem Züchter auf Nachfrage erklären zu können, warum eine Note so und nicht anders gegeben wurde. Aus der Summe solcher Notizen ergeben sich aber auch Erkenntnisse zur Vererbung von Hengsten und daraus folgt eine bessere Anpaarungsplanung, z.B. wenn es gezielt um die Verbesserung einzelner Merkmale geht. Aus dem Grundgedanken heraus, diesen praktischen Erfahrungsschatz der Richter der allgemeinen Züchterschaft transparent und nutzbar zu machen, ist die Lineare Beschreibung entstanden und von der Wissenschaft über diese praktischen Ursprünge hinaus weiter entwickelt worden.

Zur Beurteilung der Appaloosa Population führt der ApHCG jedes Jahr zahlreiche Stuten- und Fohlenschauen im ganzen Bundesland, sowie die Hengstkörungen durch. Hier beurteilt eine Kommission von zwei bis fünf Zuchtrichtern die Zuchttiere unter möglichst homogen äußeren Einflüssen.

Ob Fohlen, Hengst oder Stute, die Bewertungskriterien sind immer die Gleichen: In den Merkmalsgruppen Kondition, Typ, Gebäude/ Exterieur, Fundament, Stellung ,Korrektheit des Bewegungsablaufes sowie Bewegung werden unter dem Grundgedanken „Form to Function“ einzelne Merkmale beschrieben, d.h. auf einer Skala zwischen den tatsächlich möglichen extremen Ausprägungsformen eingeordnet. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Entfernung vom Zuchtziel und der Relevanz der Merkmale für das sportliche Potential und die Gesunderhaltung des Pferdes, wird eine Punktzahl errechnet und prozentual angegeben.

Beispielhaft sei das hier am Merkmal „Kopfform“ erklärt.  Die Beschreibung der Kopfform liegt in den extremen Ausprägungen zwischen Hechtkopf und Ramskopf, die für Appaloosa gewünschte Ausprägung wäre der dazwischen liegende Keilkopf.Die Zuchtrichter beschreiben nun die jeweilige Kopfform durch markieren in der Skala unserer linearen Beschreibung. Ein Ramskopf würde ganz links markiert, Ein Keilkopf  wäre eine mittlere Ausprägung und ein Hechtkopf würde in der Skala ganz rechts gekennzeichnet.

Nach diesem Schema arbeiten sich die Zuchtrichter durch alle 76 Merkmale und beschreiben damit das jeweilige Pferd in seinem Exterieur und seiner Bewegung. Mit den hieraus gewonnenen Daten lässt sich anschließend über zuchtmethodische statistische Verfahren ein Zuchtwert zu verschiedenen Merkmalen und Leistungen gewinnen.

Die lineare Beschreibung beim ApHCG

Der ApHCG hat im Jahr 2019 auf das lineare Bewertungsystem für Zuchtschauen, Hoftermine usw. umgestellt. Nachfolgend die Erläuterung dessen.

Bei Fragen kann jederzeit der Zuchtausschuss kontaktiert werden!

Das System der linearen Beschreibung

1. Bewertungssystem und Ergebnisermittlung

1.1. Die Bewertung der Selektionsmerkmale im Rahmen der Zuchtbucheintragung und Fohlenbewertung erfolgt nach dem System der linearen Beschreibung.

1.2. Die lineare Beschreibung der einzelnen Selektionsmerkmale erfolgt mittels einer siebenstufigen numerischen Skala (-3, -2, -1, 0, 1, 2, 3). Einige Merkmale sind sogenannten „Mängelmerkmale“ welche mittels einer vierstufigen Skala (0, -1, -2, -3) beschrieben werden.

1.3. Die Beschreibung der einzelnen Selektionsmerkmale erfolgt für alle Pferde im geschlossenen Stand sowie im Schritt und Trab auf der Dreiecksbahn, für Hengste auch im Galopp während des Longierens auf beiden Händen. Für die Eintragung adulter Pferde wird eine Pflasterprobe auf ebener Fläche und gerader Linie im Schritt und im Trab vorgenommen. Lahme Pferde werden von der Bewertung zurückgestellt.

1.4. Nach Erfassung der Selektionsmerkmale mittels der linearen Beschreibung wird das Ergebnis in Form eines Beschreibungsbogens mit den linear erfassten Selektionsmerkmalen für jedes Pferd erstellt und dem Besitzer/ Züchter ausgehändigt.

Für die Einstufung werden die folgenden Leistungsgruppen definiert:

a) LG I überragende Zuchtpferde mit viel Typ, harmonischem Exterieur ohne Mängel, korrektem Fundament und Bewegungsablauf sowie überdurchschnittlicher Bewegungsqualität
b) LG II überdurchschnittliche Zuchtpferde mit gutem Typ, harmonischem Exterieur ohne deutliche Mängel, Fundament ohne deutliche Stellungsfehler sowie sehr guten und korrekten Bewegungen
c) LG III durchschnittliche Zuchtpferde welche in Typ, Exterieur, Fundament und Bewegung im Wesentlichen den im Zuchtziel beschriebenen Rassestandards entsprechen
d) LG IV unterdurchschnittliche Zuchtpferde mit Mängel im Typ oder Exterieur, deutlichen Fundamentproblemen und/oder unterdurchschnittlicher Bewegungsqualität


3. Einteilung der Linearen Beschreibung in Merkmalsgruppen

3.1. Kondition
3.2. Typ
3.3. Gebäude
3.4. Fundament
3.5. Stellungsfehler
3.6. Korrektheit der Bewegung
3.7. Qualität der Bewegung


Da die verschiedenen zu beschreibenden Merkmale eine unterschiedliche Bedeutung auf die Zucht- und Reiteigenschaften haben werden die Merkmale und deren Unterpunkte gemäß einem Algorithmus unterschiedlich stark gewichtet. Aufgrund dieser Berechnung wird dann eine Gesamtnote errechnet, welche zu einem Ergebnis und damit zu einer Einstufung in die verschiedenen Leistungsgruppen führt.

4. Auswertung

4.1. Folgende Gesamtnoten führen zu einer Einstufung in den Leistungsgruppen

0.0 - 4.9 LG 4
5,0 – 7,4 LG 3
7,5 – 8,4 LG 2
8,5 – 10 LG 1

5. Schlussbetrachtung

5.1. Mit der Gewichtung der Beschreibungsmerkmale obliegt es jetzt nicht mehr dem Zuchtrichter die Leistungsgruppe zu benennen, sondern sie wird automatisch vom Programm errechnet.

5.2. Eine Auswertung der Beschreibung für die Zuchtwertschätzung ist auf der Grundlage dieses Systems möglich.

5.3. Eine Veränderung der Vorgabe Noten für die einzelnen Leistungsgruppen ist möglich wird aber aber nur nach Rücksprache mit dem Zuchtausschuss vorgenommen.

5.4. Eine Anpassung der Gewichtung ist jederzeit möglich und erlaubt somit eine schnellere und bessere Reaktion auf veränderte Situationen im Zuchtziel